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DIW-Präsident Fratzscher: „Die Forst- und Holzwirtschaft wird weiter an Bedeutung gewinnen“

Holz ist ein Rohstoff mit jahrtausendealter Tradition und wechselvoller Geschichte. Im Kampf gegen den Klimawandel sind seine Qualitäten heute bedeutender denn je. Seit nunmehr 125 Jahren setzt sich die Interessenvertretung der Säge- und Holzindustrie für die nachhaltige Verwendung ein. Anlässlich des Jubiläums beleuchtet der Deutsche Holzkongress am 29. und 30. Juni 2022 die Stellung des Holzes in Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Vorab stellen wir die Keynote-Speaker im Kurzinterview vor.

Prof. Marcel Fratzscher, Ph.D.

ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Als Wissenschaftler und Autor legt er seinen Fokus auf Aspekte der Makroökonomie, Finanzmärkte, Ungleichheit, Globalisierung und Integration Europas. Er ist Mitglied wichtiger wirtschaftspolitischer Beratungsgremien, darunter das High-level Advisory Board der Vereinten Nationen zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs), der Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums und das Kuratorium der Hertie School of Governance. Seit 2016 schreibt er als Kolumnist für ZEIT Online und veröffentlicht regelmäßig Kommentare in deutschen und internationalen Medien.

Prof. Marcel Fratzscher spricht am 30.06.2022 um 10:10 Uhr auf dem Deutschen Holzkongress. Sein Vortrag trägt den Titel: „Wirtschaftliche Zeitenwende? Die Bedeutung heimischer Rohstoffe für die Gesellschaft von morgen.“

Herr Prof. Fratzscher, die Interessenvertretung der deutschen Säge- und Holzindustrie blickt auf über ein Jahrhundert zurück. Ein zentraler Bestandteil der Verbändearbeit ist Kommunikation. Durch internetbasierte Technologien und Plattformen haben sich mindestens Frequenz und Geschwindigkeit von Botschaften nochmals enorm verändert. Wie wirkt sich dieser Umstand auf Konjunkturprognosen aus?

Technologie und vor allem die sozialen Medien haben die Kommunikation auch für die Wirtschaft grundlegend verändert. Eine Herausforderung ist, dass wir heute eine Kakophonie von Stimmen und Interessen haben, aus denen es schwierig ist, eine klare Botschaft und die überzeugendsten Argumente herauszufiltern. Dies gilt auch für die Konjunkturforschung: Wir haben sehr viel mehr Informationen für unsere Prognosen, gleichzeitig ist es jedoch schwieriger geworden, die richtigen Informationen herauszufiltern. Die noch wichtigere Herausforderung ist jedoch die Zunahme an Krisen und Schocks, die wir durch die Globalisierung für unsere Wirtschaft sehen. Daher kann man nicht genug betonen: Wirtschaftsprognosen sind letztlich lediglich Szenarien, also “Wenn-dann”-Analysen, die immer auf starken Annahmen beruhen.

Im November 2021 haben Sie in Ihrer Kolumne von der neuen Bundesregierung gefordert, den Klimaschutz als oberste Priorität zu verfolgen. Inzwischen regieren SPD, Bündnis90/DieGrünen und FDP ein gutes halbes Jahr. Wie bewerten Sie die bisherige Klimaschutzpolitik der Ampelkoalitionäre?

Die neue Bundesregierung hat sich ambitionierte Ziele gesetzt, auch in Bezug auf den Klimaschutz. Wir leben jedoch jetzt in einer neuen Realität, in der zumindest kurzfristig diese Ziele nicht erreicht werden können. Aber der Krieg darf die Transformation nicht stoppen, sondern er muss sie beschleunigen. Denn wir müssen viel schneller als bisher uns von der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern lösen. Und das erfordert einen viel schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien. Hinzu kommt die Notwendigkeit für schnelleren technologischen Fortschritt und die Einführung neuer Technologien. Dies erfordert riesige öffentliche wie private Investitionen. Die Bundesregierung versucht gerade einen unmöglichen Spagat, indem sie Zukunftsinvestitionen verspricht, aber gleichzeitig die Schuldenbremse einhalten will und Steuererhöhungen ablehnt. Sie wird sich entscheiden müssen, welche dieser drei Prioritäten für sie am wichtigsten ist. Alle drei wird sie unmöglich erreichen können.

Die Forst- und Holzwirtschaft spielt eine wichtige Rolle auf dem Weg zur Bioökonomie. Mit über einer Million Beschäftigten und über 180 Milliarden Euro Umsatz (Zahlen: Thünen Institut 2019) ist der Cluster durchaus wirtschaftlich relevant. Wahrnehmung und Rückenwind aus der Politik kamen aus Sicht der Branche aber lange nicht oder nur zögerlich. Wie verorten Sie die Holzwirtschaft in Deutschland?

Klimaschutz und die ökologische Transformation erfordern eine viel stärkere Nutzung nachhaltiger Rohstoffe. Auch deshalb wird die Forst- und Holzwirtschaft weiter an Bedeutung gewinnen. Die großen Schwankungen der Preise und der Verfügbarkeit des Rohstoffs Holz in den vergangenen Jahren zeigen, wie schwierig die Transformation ist, aber auch, wie wichtig diese Branche für uns als Gesellschaft ist. Die Branche aber auch wir als Gesellschaft dürfen diese Transformation nicht als Bedrohung verstehen, sondern sollten vor allem die Chancen sehen. Der Rohstoff Holz wird gerade im Bausektor weiter an Bedeutung gewinnen, gleichzeitig erfordern der Klimawandel und regulatorische Veränderungen schwierige Anpassungen.

HEUTE NOCH ANMELDEN UND IN BERLIN DABEI SEIN

Deutscher Holzkongress 2022

29. und 30. Juni 2022

BOLLE Festsäle | Berlin

Branchenabend | Netzwerktreffen

125 Jahre Interessenvertretung der Säge- und Holzindustrie

Einlass 29. Juni ab 13.00 Uhr – Ende der Veranstaltung am 30. Juni gegen 13.00 Uhr
(Weitere Programmdetails erfahren Sie in Kürze)

Bild: DIW Berlin, B. Dietl